Ursachen der ADHS

Lesen Sie hier zum aktuellen Stand der Forschung

Dreidimensionale DNA-Doppelhelix in neutralem Licht.

1. Genetische Grundlagen

Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass ADHS eine starke genetische Komponente hat. Erbliche Faktoren können Schätzungen zufolge bis zu 70–80 % des Risikos ausmachen, eine ADHS zu entwickeln. Dabei sind mehrere Gene beteiligt, die vor allem mit dem Dopamin- und Noradrenalin-Haushalt im Gehirn in Verbindung stehen (Faraone et al., 2018).

  • Dopamin-Transporter-Gen (DAT1): Veränderungen in diesem Gen können die Verfügbarkeit von Dopamin im synaptischen Spalt beeinflussen (Faraone et al., 2018).
  • Dopamin-Rezeptor-Gene (z. B. DRD4, DRD5): Mutationen oder Varianten in diesen Genen können die Empfindlichkeit der Rezeptoren beeinflussen (Franke et al., 2018).
Gehirnskulptur mit einer Glühbirne darüber auf schwarzem Hintergrund.

2. Neurobiologische Aspekte und Gehirnstoffwechsel

Ein zentrales Kennzeichen von ADHS ist eine veränderte Funktion in bestimmten Hirnarealen, insbesondere im präfrontalen Kortex, der für Exekutivfunktionen wie Planung, Impulskontrolle und Aufmerksamkeit verantwortlich ist. Daneben spielen auch Regionen wie Striatum und Kleinhirn eine Rolle (Rubia, 2018).
 

2.1 Dopamin und Noradrenalin
 

Der Stoffwechsel dieser Neurotransmitter ist häufig verändert:

  • Dopamin ist wesentlich für die Belohnungsverarbeitung und Motivation. Bei ADHS-Betroffenen besteht häufig eine zu geringe Dopaminverfügbarkeit in bestimmten Hirnarealen (Rubia, 2018).
  • Noradrenalin beeinflusst Wachheit, Fokus und Konzentration. Auch hier können Ungleichgewichte auftreten (Thapar & Cooper, 2016).

2.2 Gehirnstrukturen
 

Studien mit bildgebenden Verfahren (z. B. MRT, fMRT) zeigen bei ADHS-Patient*innen oft ein geringeres Volumen bestimmter Hirnareale (insbesondere im Bereich des präfrontalen Kortex) sowie eine verzögerte kortikale Entwicklung. Diese Befunde unterstützen die These, dass ADHS eine neurobiologische Entwicklungsstörung darstellt (Shaw et al., 2007).

Braunes Glasfläschchen mit Pipette, die einen Tropfen gelbes Öl abgibt.

3. Umweltfaktoren

Obwohl die genetische Veranlagung eine große Rolle spielt, tragen auch Umweltfaktoren zur Entstehung von ADHS bei. Beispiele hierfür sind:

  • Pränatale Einflüsse: Rauchen und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko für ADHS (Knopik, 2009).
  • Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht: Kinder, die sehr früh geboren wurden oder ein sehr geringes Geburtsgewicht hatten, zeigen häufiger ADHS-Symptome (Thapar & Cooper, 2016).
  • Psychosoziale Faktoren: Familiäre Konflikte, Vernachlässigung oder Traumata können den Verlauf der Störung beeinflussen (wobei sie meist nicht die alleinige Ursache sind, sondern die Ausprägung verstärken können) (Thapar & Cooper, 2016).
Mikroskop mit scharfen Linsen, fokussiert auf einen Lichtstrahl.

4. Aktueller Forschungsstand

Die Forschung zu ADHS entwickelt sich stetig weiter. Dabei liegen die Schwerpunkte insbesondere auf:

  1. Neurobiologische Mechanismen: Neue bildgebende Verfahren wie High-Resolution fMRT ermöglichen detaillierte Einblicke in die Hirnaktivität (Rubia, 2018).
  2. Genomweite Assoziationsstudien (GWAS): Moderne genetische Untersuchungsmethoden helfen, zusätzliche Risiko-Gene zu identifizieren und besser zu verstehen, wie verschiedene Genvarianten zusammenwirken (Faraone & Larsson, 2019).
  3. Individuelle Therapieansätze: Erkenntnisse aus der Neurobiologie fließen in die Entwicklung passgenauer Behandlungsansätze ein, z. B. personalisierte Medizin unter Einbeziehung genetischer Profile (Cortese, 2020).
  4. Langzeitstudien: Es werden immer mehr Langzeitstudien durchgeführt, um die Entwicklung von ADHS über die Lebensspanne zu erforschen, da ADHS auch im Erwachsenenalter eine erhebliche Rolle spielen kann (Cortese, 2020).
Eine Hand hält eine Lupe mit verschwommenem Hintergrund.

5. Fazit

ADHS ist eine komplexe, multifaktorielle Störung, bei der sowohl genetische als auch umweltbedingte Einflüsse eine Rolle spielen. Neurobiologisch ist vor allem ein Ungleichgewicht im Dopamin- und Noradrenalin-Stoffwechsel in den Vordergrund gerückt, begleitet von strukturellen und funktionellen Besonderheiten im Gehirn (z. B. im präfrontalen Kortex). Der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass ADHS über das Kindesalter hinaus relevant bleibt und eine individuelle sowie ganzheitliche Betrachtung erforderlich ist. Dank neuer Technologien und großer Studienkonsortien werden Therapieoptionen stetig verfeinert, sodass betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene bessere Unterstützung erhalten können.

  • Cortese, S. (2020). Advances in the pharmacological and non-pharmacological treatment of ADHD. Journal of Clinical Medicine, 9(3): 1–13.
  • Faraone, S. V., & Larsson, H. (2019). Genetics of attention deficit hyperactivity disorder. Molecular Psychiatry, 24(4): 562–575.
  • Faraone, S. V., et al. (2018). Genetic influences on attention deficit hyperactivity disorder. Current Psychiatry Reports, 20(11): 1–8.
  • Franke, B., Michelini, G., Asherson, P., et al. (2018). Genetic foundations of ADHD. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 89: 7–21.
  • Knopik, V. S. (2009). Maternal smoking during pregnancy and child outcomes: real or spurious effect?. Developmental Neuropsychology, 34(1): 1–36.
  • Rubia, K. (2018). Cognitive Neuroscience of ADHD and Its Clinical Translation: Progress into Translational Applications. Current Opinion in Behavioral Sciences, 22: 1–7.
  • Shaw, P., et al. (2007). Attention-deficit/hyperactivity disorder is characterized by a delay in cortical maturation. Proceedings of the National Academy of Sciences, 104(49): 19649–19654.
  • Thapar, A., & Cooper, M. (2016). Attention deficit hyperactivity disorder. The Lancet, 387(10024): 1240–1250.

Quellen

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