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High Functioning Anxiety und ADHS

  • Autorenbild: David Beck
    David Beck
  • 17. März
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. März

Warum manche Menschen souverän wirken, obwohl sie innerlich permanent kämpfen – und wie eine fundierte ADHS-Diagnostik endlich Klarheit schaffen kann


High Functioning Anxiety – Wenn Ängste unter einer perfekten Fassade verborgen bleiben


Unsichtbare Last im Alltag

 

High Functioning Anxiety (HFA) bezeichnet einen Zustand, in dem Menschen nach außen hin sicher und leistungsfähig wirken, während sie innerlich von Sorgen und Selbstzweifeln aufgefressen werden (Freedman, 2019). Typischerweise haben Betroffene ihren Alltag im Griff, erscheinen pünktlich, erledigen Aufgaben äußerst sorgfältig und wirken oftmals fast schon vorbildlich organisiert. Doch hinter diesem souveränen Auftreten steckt häufig eine nagende Angst, nicht gut genug zu sein oder irgendwann zu versagen.

 

Diese innere Zerrissenheit mündet bei vielen Betroffenen in einem ständigen Grübeln: „Was, wenn mir ein Fehler unterläuft, den alle bemerken? Oder wenn ich den Erwartungen nicht gerecht werde?“ So treiben sie sich zu immer besseren Leistungen an, vermeiden es, Schwächen zuzugeben und wollen um jeden Preis verhindern, dass jemand ihre Unsicherheit erkennt. Gerade deshalb bleiben viele Fälle von High Functioning Anxiety unerkannt – denn die Außenwelt sieht nur die Hochleistung, nicht aber die Zerbrechlichkeit dahinter.

 

Perfektionismus als Schutzschild

 

Wer unter High Functioning Anxiety leidet, neigt oft zu ausgeprägtem Perfektionismus. Jeder Schritt wird doppelt überprüft, jedes Detail sorgfältig geplant – aus Angst, es könnte ein Makel auffallen. So kann die Arbeit an einem einzigen Projekt überproportional viel Zeit verschlingen, während man sich innerlich ständig vor Augen hält, dass das Ergebnis noch nicht perfekt genug ist.Dieses Streben nach Fehlerfreiheit bringt kurzfristige Erfolge: Man gilt als zuverlässig und motiviert. Langfristig aber laugt es Betroffene aus, weil sie nie das Gefühl haben, „fertig“ zu sein. Der Geist ruht nie, immer lauert die Furcht, etwas zu übersehen oder nicht maximal ausgeschöpft zu haben.

 


ADHS: Wenn die Konzentration zur täglichen Herausforderung wird


Neurodiversität im Alltag

 

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) wird häufig als Kinder- und Jugendthema wahrgenommen. Doch viele Erwachsene – unabhängig von ihrem Lebensalter – kämpfen Tag für Tag mit den Folgen einer beeinträchtigten Selbstregulation. Statt äußerer „Zappeligkeit“ zeigt sich ADHS oftmals als ständiges inneres Getrieben-Sein, das es erschwert, Routineaufgaben zu erledigen oder sich nachhaltig auf ein Ziel zu konzentrieren (Faraone, Biederman & Mick, 2006).

 

Diese innere Unruhe geht oft mit stark schwankender Aufmerksamkeit einher: Was heute hochmotiviert angegangen wird, kann morgen schon wie ein unüberwindbares Hindernis erscheinen. Betroffene wollen ihre Vorhaben ernsthaft umsetzen, fühlen sich aber von einer permanenten Reizüberflutung abgelenkt. Ob im Beruf, Studium oder Privatleben – selbst grundlegende Planungen können zum Kraftakt werden.

 

Typische Stolpersteine für Betroffene

 

Alltägliche Aufgaben, die anderen leichtfallen, wirken für Menschen mit ADHS wie anstrengende Hindernisläufe. Termine geraten durcheinander, einfache Abläufe werden aufgeschoben. Das liegt selten an mangelnder Intelligenz oder Faulheit, sondern vielmehr an einer neurobiologischen Besonderheit, die das Filtern von Reizen und das Organisieren von To-dos erschwert.

Gleichzeitig zeigt sich bei ADHS aber auch eine andere Seite: der sogenannte Hyperfokus. Sobald ein Thema wirklich interessiert, tauchen Betroffene tief ein und erarbeiten sich in kurzer Zeit enormes Expertenwissen. Außenstehende halten das oft für Widersprüchlichkeit („Wie kann man so begabt sein und doch so chaotisch wirken?“). Genau dieses Spannungsfeld aus Chaos und plötzlich hoher Leistungsfähigkeit macht ADHS so schwer fassbar.

 


Wo sich High Functioning Anxiety und ADHS überschneiden


Gemeinsamer Nenner: Druck und innere Getriebenheit

 

Sowohl bei High Functioning Anxiety als auch bei ADHS besteht ein starker innerer Antrieb, der Betroffene rund um die Uhr beschäftigt. Bei HFA liegt der Fokus auf der Angst, nicht gut genug zu sein oder Fehler zu machen. Bei ADHS entspringt der Druck oft dem Gefühl, den Anforderungen von Job und Alltagsleben nicht gewachsen zu sein, weil das Gehirn ständig neue Reize aufnimmt und Routinen vernachlässigt.In beiden Fällen versuchen Betroffene, eine „perfekte“ Außenwirkung aufrechtzuerhalten. Sie wollen keine Schwäche zeigen, keine Rückstände offenbaren. Dieser ständige Kampf um Anerkennung oder Normalität erschöpft auf Dauer Körper und Psyche gleichermaßen (Brown, 2013).

 

Prokrastination vs. Perfektionismus

 

Was zunächst gegensätzlich klingt – Perfektionismus aufseiten von HFA und das „Chaos“ bei ADHS – führt paradoxerweise zu ähnlichen Verhaltensmustern: der Aufschieberitis. Wer sich nicht traut, einen möglicherweise unperfekten Text abzugeben, zögert den Abgabetermin hinaus. Wer aufgrund von ADHS Schwierigkeiten hat, eine Aufgabe zu planen, driftet ebenfalls bis zur letzten Minute ab.So entsteht ein Kreislauf aus Selbstvorwürfen und Stress. Im Endeffekt kann man weder souverän Nein sagen noch realistisch einschätzen, wie viel Zeit man für ein Projekt benötigt. Am Ende leiden Beziehungen, Gesundheit und die berufliche Zufriedenheit.

 

Unser Artikel „Burnout oder ADHS?“ zeigt, wie andauernder Druck und ständige Überforderung auch in einer Erschöpfungsdepression oder einem Burnout münden können, wenn die eigentlichen Ursachen übersehen werden.


Neurobiologie als Hauptfaktor

 

High Functioning Anxiety lässt sich eher als psychologisches Muster einer Angststörung kategorisieren, das sich durch Perfektionismus und Leistungsdrang auszeichnet (Freedman, 2019). ADHS hingegen ist stärker neurobiologisch geprägt: Veränderungen im Dopamin- und Noradrenalin-Haushalt beeinflussen die Selbstregulation und Reizfilterung (Kessler et al., 2006).Wer also seit Kindertagen unaufmerksam, impulsiv oder „schwer zu bändigen“ war, hat womöglich eine ADHS-Grundlage. Treten die aktuellen Probleme erst seit einer Phase gesteigerter Leistungsanforderungen (z. B. im Studium oder Job) auf, könnte eher High Functioning Anxiety im Fokus stehen.

 

Typische ADHS-Symptome


  • Schwierigkeiten, eine Aufgabe strukturiert anzupacken.

  • Rasche Langeweile bei Routinetätigkeiten.

  • Impulsive Kaufentscheidungen, Gefühlsausbrüche oder Beziehungsprobleme.

  • Phasen von Hyperfokus, gefolgt von Phasen extremer Prokrastination.


Wenn mehrere dieser Punkte zutreffen und schon seit der Kindheit Spuren von Unaufmerksamkeit oder Hyperaktivität sichtbar waren, lohnt ein ADHS-Test. Denn viele Menschen leben jahrelang mit Selbstvorwürfen, obwohl ihre Schwierigkeiten einen gut erklärbaren Ursprung haben (Ramsay & Rostain, 2015).

 


Die Kraft einer professionellen ADHS-Diagnostik


Passgenaue Behandlung statt falscher Fährten

 

Wer „nur“ auf Angsttherapie setzt, während eigentlich eine ADHS dahintersteckt, wird häufig nur Teilerfolge erzielen. Angstbewältigungsübungen können zwar helfen, die innere Unruhe etwas zu mindern, doch die zentrale Problematik – etwa Probleme der Exekutivfunktionen – bleibt bestehen.Eine fundierte ADHS-Diagnostik ermöglicht es, einen maßgeschneiderten Therapieplan aufzustellen: Dies kann kognitive Verhaltenstherapie, spezielles ADHS-Coaching oder auch den Einsatz von Stimulanzien (z. B. Methylphenidat) beinhalten (Faraone, Biederman & Mick, 2006). Damit werden nicht nur oberflächliche Symptome abgefedert, sondern die Ursachen angegangen.

 

Entlastung durch Erklärung

 

Viele Erwachsene mit ADHS erfahren eine immense Befreiung, sobald sie die Diagnose erhalten. Was man zuvor als persönliche Schwäche oder mangelnde Disziplin wahrnahm, lässt sich plötzlich neurobiologisch erklären. So sinken Selbstvorwürfe, und ein konstruktiver Umgang wird möglich.Gleichzeitig entfällt bei High Functioning Anxiety die Angst, man sei einfach nur „überempfindlich“: Die Klarheit, dass ADHS die permanente innere Unruhe potenziert, kann helfen, gezielt an den erkannten Mechanismen zu arbeiten, ohne sich endlos in Perfektionismus oder Anpassungsdruck zu verlieren.

 


Literatur


  • Brown, T. E. (2013). A New Understanding of ADHD in Children and Adults: Executive Function Impairments. Routledge.

  • Faraone, S. V., Biederman, J., & Mick, E. (2006). The age-dependent decline of attention deficit hyperactivity disorder: A meta-analysis of follow-up studies. Psychological Medicine, 36(2), 159–165.

  • Freedman, B. (2019). High-Functioning Anxiety: The Hidden Struggle. Journal of Clinical Psychology Research, 12, 45–56.

  • Kessler, R. C., Adler, L. A., Barkley, R., Biederman, J., Conners, C. K., Demler, O., … & Zaslavsky, A. M. (2006). The prevalence and correlates of adult ADHD in the United States: Results from the National Comorbidity Survey Replication. American Journal of Psychiatry, 163(4), 716–723.

  • Ramsay, J. R., & Rostain, A. L. (2015). Cognitive Behavioral Therapy for Adult ADHD: An Integrative Psychosocial and Medical Approach (2nd ed.). Routledge.


(Wichtiger Hinweis: „High Functioning Anxiety“ ist kein formelles Krankheitsbild. Wer längere Zeit stark unter innerer Unruhe, Ängsten oder vermutetem ADHS leidet, sollte fachliche Hilfe in Anspruch nehmen – beispielsweise durch eine ADHS-Testung, psychologische Diagnostik oder ärztlichen Rat.)

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