Burnout oder ADHS: Wie unterscheiden sich die Symptome wirklich?
- David Beck
- 17. März
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. März
Wenn Erschöpfung und Konzentrationsschwierigkeiten den Alltag bestimmen – und warum eine präzise Diagnostik entscheidend ist.

Verwechslungsgefahr – Warum Burnout und ADHS so häufig in einem Atemzug genannt werden
In den letzten Jahren liest und hört man viel über Burnout, aber auch über die späte Erkennung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) bei Erwachsenen. Beide Themen sind in den Fokus gerückt, weil viele Menschen von Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und allgemeiner Überforderung berichten. Tatsächlich kann die Grenze zwischen Burnout und ADHS für Außenstehende – und oft sogar für die Betroffenen selbst – verschwimmen.
Burnout ist zwar keine offizielle psychiatrische Diagnose in dem Sinne, dass es einen eigenen ICD-Code wie Depression hätte, wird aber immer häufiger als Berufsunfähigkeitsgrund oder in Gesprächen über psychische Gesundheit genannt. ADHS hingegen ist bereits seit vielen Jahren klassifiziert, wurde früher jedoch hauptsächlich bei Kindern diagnostiziert. Erst seit einiger Zeit rückt man vermehrt in den Blick, dass ADHS auch das Erwachsenenalter betrifft und dort ganz andere Facetten annehmen kann (Brown, 2013).
Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Zuständen zeigen sich unter anderem in folgenden Bereichen:
Leistungsabfall: Sowohl Burnout als auch ADHS können dazu führen, dass Betroffene ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr abrufen können – sei es durch Erschöpfung oder durch Konzentrationsdefizite.
Innere Zerrissenheit: Viele fühlen sich „blockiert“ und haben das Gefühl, ihren eigenen Ansprüchen (oder denen von außen) nicht gerecht zu werden.
Emotionale Erschöpfung: Bei Burnout spricht man konkret von Erschöpfung und innerer Distanzierung. Bei ADHS kommt es durch ständigen „Kopftrubel“, Impulsivität und Reizüberflutung ebenfalls zu einer massiven mentalen Erschöpfung.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich beides auch überlappen kann. Wer jahrelang mit einer unentdeckten ADHS zu kämpfen hat, vielleicht immer wieder scheitert und in Konflikten landet, läuft erhöhte Gefahr, irgendwann in einen Burnout zu rutschen. Dieser Kreislauf macht eine eindeutige Abgrenzung in der Praxis komplex.
Burnout genauer betrachtet – Wenn die Energie-Reserven dauerhaft am Boden sind
Schleichender Verlauf: Von Motivation zur totalen Erschöpfung
Burnout entsteht selten über Nacht. Häufig beginnt es mit einer hohen Motivation, viel Einsatz im Job oder in familiären Verpflichtungen. Man möchte alles richtigmachen, wird vielleicht für seine Leistung gelobt, fühlt sich unentbehrlich. Doch allmählich tritt das Gefühl auf, dass das Pensum unerbittlich ist. Pausen werden gekürzt, Schlaf vernachlässigt, Hobbys fallen weg.
Irgendwann schlägt diese Phase des übermäßigen Engagements ins Gegenteil um: Erschöpfung, Gereiztheit und das Gefühl, emotional ausgebrannt zu sein. Betroffene berichten oft, sie könnten nichts mehr „fühlen“, seien innerlich abgestumpft oder zynisch geworden (Maslach & Leiter, 2016). Die Arbeit, die ihnen zuvor wichtig war, wird zum Feindbild. Auch privat ziehen sie sich zunehmend zurück, weil jeder Kontakt, jedes Gespräch als Anstrengung empfunden wird.
Typische Symptome eines Burnouts
Emotionale Erschöpfung: Anhaltendes Gefühl der Leere und Kraftlosigkeit.
Zynische Grundhaltung: Negative, abwehrende Einstellung gegenüber Menschen und Aufgaben, die früher Freude machten.
Reduzierte Leistungsfähigkeit: Konzentrationsprobleme, häufige Fehler, Leistungsabfall bei Routineaufgaben.
Körperliche Symptome: Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verspannungen, Magen-Darm-Probleme.
Burnout kann auch in eine depressive Episode münden oder mit ihr einhergehen. Manche Fachleute sprechen daher eher von einer Form der Erschöpfungsdepression, um die Zusammenhänge zu verdeutlichen. Fest steht: Ohne Intervention besteht die Gefahr, dass dieser Zustand chronisch wird und andere psychische oder körperliche Erkrankungen nach sich zieht.
Die Rolle von Arbeits- und Lebensbedingungen
Ein wichtiger Unterschied zu ADHS liegt in den Auslösern. Burnout ist häufig eng verknüpft mit äußeren Stressoren, sei es ein extremes Arbeitspensum, permanente Überstunden, hoher Erwartungsdruck durch Vorgesetzte oder eine andauernde Konfliktsituation im privaten Umfeld. Während ADHS meist eine neurobiologische Komponente hat, ist Burnout stärker kontextgebunden: Wenn man etwas an den äußeren Umständen ändert (z. B. Arbeitszeit reduzieren, klärende Gespräche führen, einen Jobwechsel wagen), bessern sich die Burnout-Symptome in vielen Fällen erheblich.
ADHS im Erwachsenenalter – Mehr als nur „Zappeligkeit“ und Schulprobleme
Neudefinition eines „Kinderthemas“
ADHS wurde lange Zeit als „Kinder- und Jugendstörung“ betrachtet, bei der „Zappelphilippe“ oder Tagträumerinnen Schwierigkeiten in der Schule haben. Erst in den letzten 20 Jahren rückte ins Bewusstsein, dass ADHS auch im Erwachsenenalter persistieren kann – nur, dass die Symptome dann oft anders aussehen. Statt lauter Hyperaktivität zeigt sich häufig innere Unruhe, Konzentrations- und Organisationsschwierigkeiten, Probleme, Beziehungen zu pflegen oder den Berufsalltag zu strukturieren (Ramsay & Rostain, 2015).
Schlüsselmerkmale bei Erwachsenen
Konzentrationsschwäche und Zerstreutheit: Selbst bei wichtigen Aufgaben schweifen die Gedanken ab, man vergisst Termine oder Protokolle, empfindet vieles als langweilig oder eintönig.
Impulsivität: Spontane Gefühlsausbrüche, schnelle Entscheidungswechsel, Schwierigkeiten, innere Anspannung zu zügeln.
Probleme mit Routinen und Selbstorganisation: Ob Steuererklärung, Rechnungen oder Einkauf – für viele Erwachsene mit ADHS wirken alltägliche To-dos überwältigend und werden bis zur letzten Minute hinausgeschoben. Das führt zu Dauerstress und Konflikten.
Emotionale Dysregulation: Stimmungsschwankungen, geringes Selbstwertgefühl und der Hang zu Überreaktionen auf Stress können ADHS begleiten.
Wer als Erwachsener Jahre oder Jahrzehnte unverstanden mit diesen Symptomen lebt, empfindet irgendwann eine Art Dauererschöpfung. Denn das ständige „sich selbst hinterherlaufen“ ist anstrengend. Für Außenstehende wirkt das schnell wie „Du hast doch Burnout“, doch es steckt eine ADHS dahinter, die neurobiologisch verankert ist (Brown, 2013). Eine falsche Einordnung kann bedeuten, dass man lediglich Erholung oder Entspannung empfiehlt – was zwar kurzfristig hilft, aber nicht die Kernprobleme (z. B. Exekutivfunktionsstörungen) löst.
Wechselwirkung zwischen ADHS und Burnout
Zudem kann ADHS tatsächlich ein Risikofaktor für Burnout sein. Wenn ständig Kritik im Job oder Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen anfallen, weil Deadlines verpasst oder Absprachen vergessen werden, steigert das den Druck. Irgendwann sind Ressourcen aufgebraucht – und es kommt zum Erschöpfungszustand, der einem klassischen Burnout ähnelt. Wer also „Burnout“ diagnostiziert bekommt, sollte immer auch hinterfragen, ob andere Faktoren wie ADHS im Spiel sind.
Wieso beide Zustände sich in Symptomen ähneln können
Konzentrationsstörungen: Bei Burnout bedingt durch emotionale Erschöpfung, bei ADHS durch neurobiologische Faktoren.
Innere Unruhe: Burnout-Gestresste können nicht abschalten; ADHS-Betroffene haben eine chronische Reizoffenheit.
Selbstzweifel: Sowohl Menschen mit Burnout als auch solche mit ADHS glauben oft, sie seien „faul“ oder „unfähig“, weil sie ihre Aufgaben nicht so wie andere erledigen können.
Die Essenz: Ursache vs. Ergebnis
Burnout: Ergebnis überlanger Belastungsphasen oder übersteigerten Anspruchsdenkens ohne ausreichende Regeneration. Beseitigt man den Stress oder verändert die Lebensumstände grundlegend, kann Besserung eintreten.
ADHS: Neurobiologische Voraussetzung, die meist ein Leben lang anhält, sich aber in verschiedenen Lebensphasen anders ausprägt. Selbst wenn man die Arbeitsbedingungen optimiert, bleiben Aufmerksamkeits- und Organisationsprobleme bestehen, wenn man sie nicht spezifisch angeht.
Diagnostische Abgrenzung
Professionelle Diagnostik ist entscheidend. Bei Verdacht auf ADHS bieten sich spezielle Testverfahren an, die über reine Online-Screens hinausgehen. Burnout wiederum lässt sich vor allem durch Anamnese und klinische Interviews feststellen, wobei hier oft überprüft wird, ob eine Depression oder eine andere psychische Störung zugrunde liegt. Gerade in den Fällen, in denen sich die Symptomatik von ADHS und Burnout zu überschneiden scheint, hilft eine umfassende Abklärung, sämtliche Aspekte zu beleuchten.
Der Weg zur Klarheit – Was Sie konkret tun können
Burnout-Behandlung: Entschleunigung und Perspektivwechsel
Bei Burnout liegt der Schwerpunkt meistens auf Veränderungen in den äußeren Lebensbedingungen und auf psychotherapeutischer Begleitung. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hilft, unproduktive Denkmuster zu verändern. Eventuell braucht es eine längere berufliche Auszeit oder eine Kur/Reha-Maßnahme, um Abstand vom Alltagsstress zu gewinnen. In vielen Fällen ist es essenziell, realistischere Ziele zu setzen, Perfektionismus abzulegen und eine gesunde Work-Life-Balance aufzubauen (Maslach & Leiter, 2016).
ADHS-Management: Kombination aus Coaching, Therapie und ggf. Medikation
ADHS erfordert oft ein ganzheitliches Vorgehen. In der Regel geht es um:
Medikamente: Stimulanzien wie Methylphenidat (Ritalin, Medikinet adult) oder Amphetaminpräparate können die Aufmerksamkeitsspanne steigern und impulsives Verhalten dämpfen (Ramsay & Rostain, 2015). Sie wirken jedoch am besten in Kombination mit Coaching oder Psychotherapie.
Verhaltenstherapie und Psychoedukation: Betroffene lernen, ihre exekutiven Funktionen (Planung, Organisation, Zeitmanagement) zu verbessern und emotionale Ausbrüche besser zu steuern.
Alltagsstrukturen: Sich selbst managen, realistische To-do-Listen erstellen, digitale Tools nutzen – all das kann den Druck deutlich reduzieren.
Synergieeffekte vermeiden
Gerade wenn ADHS in einem Burnout mündet oder umgekehrt, braucht es eine Abstimmung der Maßnahmen. Ein reines Anti-Stress-Programm hilft zwar kurzfristig, doch wenn eine zugrunde liegende ADHS nicht adressiert wird, kommt die Überforderung schnell wieder. Gleichzeitig kann ein Burnout eine große Rolle für die Psyche spielen: Selbst wenn die ADHS medikamentös behandelt wird, bleibt das Burnout-Gefühl bestehen, solange man nicht grundlegend an den Lebens- und Arbeitsumständen arbeitet.
Schritt für Schritt zu mehr Lebensqualität
Der Schlüssel ist eine fundierte Diagnostik – sei es ein ADHS Test online als erster Check oder eine umfassende Burnout-Beratung mit anschließender ärztlicher Begutachtung. Wer frühzeitig Klarheit gewinnt, ob eher Burnout-Symptome oder ADHS (oder beides) die Hauptursache der Probleme sind, kann gezielter an Lösungen arbeiten. Das spart nicht nur Zeit, sondern erspart auch viele Frustrationen und Rückschläge.
Langfristig gesehen geht es darum, ein Leben zu gestalten, in dem Überlastung vermieden wird – egal, ob durch eine gesunde Abgrenzung am Arbeitsplatz oder durch Strategien, die ADHS-bedingte Schwächen abfedern. Mit dem richtigen Mix aus Wissen, therapeutischer Unterstützung und Veränderungsbereitschaft ist es möglich, wieder zu innerer Balance zu finden und den Alltag erfolgreich zu meistern.
Literatur
Brown, T. E. (2013). A New Understanding of ADHD in Children and Adults: Executive Function Impairments. Routledge.
Maslach, C., & Leiter, M. P. (2016). Understanding the burnout experience: Recent research and its implications for psychiatry. World Psychiatry, 15(2), 103–111.
Ramsay, J. R., & Rostain, A. L. (2015). Cognitive Behavioral Therapy for Adult ADHD: An Integrative Psychosocial and Medical Approach (2nd ed.). Routledge.
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